„Afrika braucht ein neues Selbstbewusstsein“

07.07.2011

Der Berliner Filmemacher Züli Aladaĝ ist türkischer Herkunft und kurdischer Abstammung. Mit dem Thema Integration kennt er sich aus: Sein Drama „Wut“ aus dem Jahr 2005, beschäftigt sich ebenso damit, wie der Spielfilm „Die Fremde“. Jetzt widmet er sich im Auftrag der save our nature foundation als Regisseur und Drehbuchautor in einer Dokumentation und einem Spielfilm dem afrikanischen Kontinent und der Initiative Cotton made in Africa (CmiA). Züli Aladaĝ erzählt, wie es dazu kam, welchen Herausforderungen er begegnete und welche Erkenntnisse er von seiner Arbeit in Afrika mitgenommen hat.

Herr Aladaĝ, erzählen Sie doch erst einmal kurz, wie es zu diesem Projekt kam und was sie dazu bewegt hat, mitzumachen.

Aladaĝ: Ich habe vor etwa eineinhalb Jahren Thilo Graf Rothkirch kennengelernt. Er ist der Vorsitzende von save our nature und einer der erfolgreichsten Produzenten Deutschlands. Er hat mir von seiner Idee erzählt, eine Dokumentation und einen Spielfilm zu diesem Thema zu produzieren – und schon war ich als Regisseur im Gespräch. Ich fühle mich als Filmemacher der Unterhaltung und sozialer Belange gleichzeitig verpflichtet. Daher ist dies natürlich ein sehr interessantes Projekt für mich. Afrika beschäftigt uns Europäer ja schon sehr lange und doch machen wir immer noch viele Fehler. Wir haben uns die Frage gestellt: Was können Initiativen wie Cotton made in Africa, die den Handel mit Afrika stärken, bewirken?

Und die Antwort lautet?

Aladağ: Viel! Ich war überrascht, wie in so kurzer Zeit ein so großes Netzwerk entstehen konnte. Die Initiative gibt es ja erst seit sechs Jahren, aber das System geht bereits auf. Die Bauern vor Ort identifizieren sich sehr stark mit CmiA und sind stolz darauf, Teil der Initiative zu sein. Kein Wunder: Sie konnten ihre Ernten durchschnittlich um 40 Prozent steigern, die Bezahlung  erfolgt termingerecht und sie erhalten Schulungen, durch die ihre Erträge weiter wachsen. Sie sind in ein verlässliches System eingebunden — das motiviert sie.

Ihr Dokumentarfilm wird auch von Cotton made in Africa handeln.

Aladağ: Genau, die Dokumentation erklärt die komplexe Funktionsweise von CmiA. Die Initiative verfolgt ja einen ganzheitlichen Ansatz: Den Baumwollbauern werden in Schulungen nachhaltige Anbaumethoden beigebracht und gleichzeitig haben sie die Möglichkeit ihre Baumwolle über die Partner von CmiA auf dem Weltmarkt zu verkaufen. Zusammen mit den Partnern in Afrika schafft es Cotton made in Africa den Menschen zu helfen, auf eigenen Füßen zu stehen, ihre Potentiale zu nutzen und den Armutskreislauf zu durchbrechen. All das transportieren wir in der Dokumentation.

Und wo wird der Film am Ende eingesetzt?

Aladaĝ: Der Film wird zusammen mit Begleitmaterialien Schulen zur Verfügung gestellt. Dann ist es an den Lehrern, ihre Schüler für die Themen Afrika und nachhaltiger Handel zu sensibilisieren. Wir sind momentan in der finalen Phase und ich kann sagen: Es ist ein sehr interessanter Film. Ich würde auf jeden Fall etwas lernen — wenn ich nicht selbst schon dabei gewesen wäre!

Neben dem Dokumentarfilm arbeiten Sie auch an einem Spielfilm zum gleichen Thema. Können Sie schon verraten, worum es geht?

Aladaĝ: Ein bisschen schon. Der Film erzählt die Geschichte eines elfjährigen Jungen, dessen Familie vom Baumwollanbau lebt.
Eines Tages stirbt sein Vater und es stellt sich heraus, dass er nicht sein leiblicher Vater war. Der Junge begibt sich also auf die Reise in die Großstadt, um seinen richtigen Vater zu suchen. In der Zwischenzeit bringen Ernteausfälle und steigende Preise seine Mutter in Schwierigkeiten. Der Film beschäftigt sich also auch mit der Abhängigkeit der Menschen von der Landwirtschaft.

Und hier kommt Cotton made in Africa ins Spiel?

Aladaĝ: Richtig. Irgendwann erfährt die Mutter des Jungen von einer Initiative, die Baumwollbauern dabei hilft, sich selbst zu helfen. Hier wird das Prinzip von Cotton made in Africa erklärt. Es wird erzählt, wie seine Mutter es schafft, ihre Potentiale zu nutzen und ihre Situation selbst zu verbessern. Im Verlauf der Geschichte kommt durch kleine Erfolge neue Hoffnung auf. Am Ende ist beispielsweise die Schule des Dorfes wieder aufgebaut, die zu Beginn noch abgebrannt war.

Und der Junge?

Aladaĝ: Der schlägt sich in die Großstadt durch. Eine Zeit lang lebt er sogar bei Buschmännern. Am Ende findet er seine Wurzeln und kehrt in sein Dorf zurück — mehr verrate ich aber noch nicht.

Wie ist die Idee für die Geschichte entstanden?

Aladaĝ: Die Reisen für den Dokumentarfilm waren sozusagen Grundlage für das Drehbuch: Wir haben in Benin und Sambia mit vielen Menschen gesprochen, um ein Gespür dafür zu bekommen, was sie beschäftigt. Vorher hatten wir verschiedene Ansätze, aber erst ein paar Wochen nach unserer Rückkehr hatten sich unsere Eindrücke kanalisiert und die Geschichte entstand.

Sie sind ein erfahrener Filmemacher. Gab es bei diesem Projekt dennoch eine besondere Herausforderung?

Aladaĝ: Für uns als Europäer stand von Anfang an eine zentrale Frage im Raum: Wie schaffen wir es, glaubwürdig über Afrika zu erzählen, obwohl wir nicht dort leben und nicht die gleichen Probleme haben, wie die Menschen dort? Es war uns wichtig, wahrhaftig zu sein und nicht noch einen Film über Afrika mit europäischer Brille zu produzieren. Deshalb wird die Geschichte aus Sicht eines Afrikaners erzählt und ganz bewusst auf die „weiße Identifikationsfigur“ verzichtet.

Welche Eindrücke haben Sie aus Afrika mitgenommen?

Aladağ: Es hat mich nicht überrascht, aber der Optimismus und die Bescheidenheit der Menschen sind erstaunlich. Die Lebensfreude der Menschen hat etwas Inspirierendes – allen voran, die der Kinder. Sie waren immer die Ersten, die uns entgegenkamen und vor der Kamera herumsprangen. Und sie sind auch der Schlüssel für die Hoffnung auf Verbesserung. Afrika braucht ein neues Selbstbewusstsein, um dem Rest der Welt auf Augenhöhe begegnen zu können — und das ist nur über das Thema Bildung zu schaffen.

Zu guter Letzt: Wann können wir mit den beiden Filmen rechnen?

Aladaĝ: Der Dokumentarfilm soll Anfang 2012 an den Schulen verteilt werden. Mit dem Kinostart des Spielfilms rechnen wir etwa zwei bis drei Monate später.

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