Hungersnot in Ostafrika

03.08.2011

Am Horn von Afrika herrscht die verheerendste Dürre seit Jahrzehnten. In einigen Regionen im Süden Somalias gibt es überhaupt keine Nahrungsmittel mehr, Millionen Menschen fliehen vor dem drohenden Hungertod. Interview zur Lage in Ostafrika mit Christoph Kaut, Geschäftsführer Aid by Trade Foundation.

Herr Kaut, Sie haben den Kontinent häufig bereist. Zurzeit erleben die Menschen in den ostafrikanischen Ländern die schlimmste Trockenheit seit 60 Jahren. Ist das eine reine Naturkatastrophe — oder wo liegen weitere Gründe dafür?

Christoph Kaut: Dürreperioden gibt es in diesen Regionen immer wieder. Dass zurzeit jedoch insbesondere die ländliche Bevölkerung Somalias betroffen ist, verwundert nicht: Der seit zwei Jahrzehnten andauernde Bürgerkrieg ist sowohl für den sehr schlechten Zustand der Infrastruktur verantwortlich als auch dafür, dass Vorsorgemaßnahmen so gut wie gar nicht getroffen wurden. Deshalb gibt es kaum Lebensmittelreserven.

Zudem hat das starke Bevölkerungswachstum in Ostafrika in den vergangenen Jahren länderübergreifend zur Erhöhung der Viehbestände geführt, dadurch sind weite Gebiete überweidet. Die Fruchtbarkeit der Böden nimmt durch Übernutzung und Erosion ab. Obendrein trägt der Klimawandel sein Übriges bei: Zeitpunkt und Intensität von Regenfällen ändern sich, teilweise bleibt der Regen ganz aus. Darauf haben sich die Bauern nicht ausreichend vorbereiten können.

Mit der Initiative „Cotton made in Africa“ bietet die Aid by Trade Foundation Baumwollbauern in Afrika Hilfe zur Selbsthilfe. Die Stiftung baut eine Allianz von internationalen Textilunternehmen auf, die nachhaltig erzeugte Baumwolle von afrikanischen Kleinbauern gezielt für den Weltmarkt einkaufen und weiterverarbeiten. Die Anbaugebiete liegen im westlichen und südlichen Afrika. Hat die Dürre auch Auswirkungen auf Ihre Partner vor Ort?

Kaut: Unsere Anbaugebiete sind ebenfalls von Klimawandel und einem zunehmenden Bevölkerungsdruck betroffen. Durch zu spät einsetzende Regenfälle sanken zum Beispiel in Benin und Burkina Faso die Ernteergebnisse der Kleinbauern um bis zu 33 Prozent. Gemeinsam mit deutschen Entwicklungsorganisationen führen wir Trainingsmaßnahmen vor Ort durch, um dem Klimawandel und abnehmender Bodenfruchtbarkeit zu begegnen. So lernen die Bauern beispielsweise, wie sie Kompostgruben bauen, Erosionsschutzmauern errichten und das Saatgut mit minimaler vorhergehender Bodenbearbeitung ausbringen können. Dadurch soll die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens erhöht werden, so dass er den häufiger auftretenden Starkregen besser aufnehmen kann. Die Böden können so auch mehr CO2 binden — das mindert die Treibhausgase in unserer Atmosphäre.

Welche Hilfsleistungen müssen aus Ihrer Sicht für die betroffenen Länder Äthiopien, Kenia, Somalia und Dschibuti (siehe Karte unten) derzeit am dringendsten erbracht werden?

Kaut: Jetzt sind direkte Hilfsmaßnahmen das Gebot der Stunde: Am wichtigsten sind Nahrungsmittel, Trinkwasser und ärztliche Versorgung.

Was muss getan werden, um die Lage längerfristig zu verbessern?

Kaut: Damit sich eine solche Katastrophe nicht wiederholt, gilt es allerdings, die durch Menschen verursachten Probleme schon bald aktiv anzugehen: So muss etwa die Infrastruktur weiter aufgebaut, landwirtschaftliche Trainingsprogramme durchgeführt und die schulische Bildung verbessert werden.

Ganz wichtig — aber sicherlich am Schwierigsten umzusetzen — ist eine friedliche Lösung des Konflikts in Somalia und der Aufbau einer stabilen Regierung in der Region. Nur so werden Rahmenbedingungen für eine langfristige Entwicklung gesetzt.

Viele Otto Group Mitarbeiter fragen sich, was sie tun können. Was empfehlen Sie ihnen?

Kaut: Alle bekannten Hilfsorganisationen, wie etwa die Welthungerhilfe oder Ärzte ohne Grenzen, sind vor Ort und verdienen sicherlich unsere Unterstützung. Wir sollten jedoch darauf achten, dabei den Spendenzweck nicht auf die akute Nothilfe einzugrenzen. Die Organisationen sollten auch die Möglichkeit haben, die Gelder in langfristige Wiederaufbaumaßnahmen zu investieren.

Das Interview führte im Auftrag der Otto Group: Katja Strube, freie Journalistin.

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