Interview mit Hansjörg Zeller and Nele Erdmann von atmosfair

29.06.2022

Mit zahlreichen Projekten in vielen Ländern des globalen Südens ist atmosfair eine international führende Klimaschutzorganisation. Im Rahmen der CmiA Carbon Neutral Initiative arbeitet sie zusammen mit der Aid by Trade Foundation daran, die Produktion von Baumwolle in den CmiA-Ländern künftig CO2-neutral zu gestalten. Mit Hansjörg Zeller, Teamleiter New Technologies, und Nele Erdmann, Senior Projektentwicklerin, bei atmosfair, sprechen wir über die größten Herausforderungen und wichtigsten Maßnahmen auf diesem Weg.

Herr Zeller, ‚Offsetting‘ von CO2-Emissionen steht im Moment in der Kritik, denn in den Medien werden Stimmen laut, viele Projekte zur Klimaneutralität seien reines Marketing und erzielten nur wenig Wirkung für die Umwelt und die Menschen im globalen Süden. atmosfair selbst bietet ausdrücklich nur dann eine Kompensation an, wenn die Emissionen auch wirklich reduziert werden. Was machen Sie konkret anders als andere Organisationen?

Aus unserer Sicht ist die Kompensation nur die drittbeste Lösung, nach der Vermeidung und Reduktion von Treibhausgasemissionen. Entsprechend fordern wir von unseren Partnern ein klares Bekenntnis zu einem ambitionierten Dekarbonisierungspfad. Die Kompensation ist aus unserer Sicht nur sinnvoll für die aktuell noch unvermeidbaren Restemissionen. Außerdem sollte man transparent kommunizieren, wie die „CO2-neutral-Behauptung“ zustande kommt.

Frau Erdmann, was ist in Ihren Augen die besondere Herausforderung in der Reduktion von CO2-Emissionen in der Baumwollproduktion, wie es sich CmiA im Rahmen der CmiA Carbon Neutral Initiative vorgenommen hat?

Die Aid by Trade Foundation hat eine Studie zum ökologischen Fußabdruck von CmiA-Baumwolle erstellen lassen. Das sogenannte Life Cycle Assessment (LCA) zeigt, dass es viele verschiedene Treib-hausgasquellen in der Baumwollproduktion gibt. Für die Reduktion mancher dieser Emissionen existieren bewährte Technologien, wie Photovoltaikanlagen für die Stromversorgung der Entkörnungsanlagen mit erneuerbaren Energien. Allerdings lassen sich die Emissionen, die nicht aus der Strombereitstellung stammen, nicht einfach durch den Einsatz einer Technologie lösen. Die Emissionen, die etwa durch den teilweisen Einsatz von chemischem Dünger oder bei der Bodenbearbeitung entstehen, können nur durch langfristige Maßnahmen reduziert werden, die von den Kleinbäuerinnen und -bauern mitgetragen und umgesetzt werden müssen. Genau hier setzt CmiA an.

Herr Zeller, der Baumwollanbau ist weltweit für etwa 0,3 bis 1 % der CO2-Emissionen verantwortlich. Der Anbau eines Kilogramms CmiA-Baumwolle durch Kleinbäuerinnen und -bauern verursacht durchschnittlich bis zu 13 % weniger Treibhausgase als der konventionelle Anbau weltweit. In welchen Schritten gehen Sie vor, um auch hier die Emissionen weiter zu reduzieren?

Wir haben uns gemeinsam mit CmiA auf einen transformativen Prozess geeinigt. Das bedeutet: In der ersten Phase werden die anfallenden CO2-Emissionen durch eines unserer Klimaschutzprojekte kompensiert. In der zweiten Phase beginnen wir die Produktionsemissionen zu verringern, indem wir die Energieversorgung in der Produktionskette auf erneuerbare Energien umstellen. Die Restemissionen werden weiterhin kompensiert. In der dritten Phase planen wir auch die Emissionen im Transport und dem Baumwollanbau zu reduzieren, zum Beispiel durch Pyrolyse, die Nutzung der Erntereste für die Erzeugung von Pflanzenkohle. Statt auf dem Feld verbrannt zu werden, können die Erntereste mit anderen organischen Reststoffen kompostiert und zu leistungsstarkem organischem Dünger verarbeitet werden. Feldemissionen können so weiter reduziert werden. Die sich verringernden Restemissionen werden dann weiterhin kompensiert.

Frau Erdmann, welche Kompensationsmaßnahmen setzen Sie konkret um, und wann rechnen Sie damit, dass erste Reduktionsmaßnahmen greifen?

Kurzfristig werden die Restemissionen über laufende atmosfair-Projekte kompensiert. Gleichzeitig werden wir ein eigenes CmiA-Kompensationsprojekt aufbauen, im Rahmen dessen wir Haushalte in CmiA-Baumwollanbaugebieten, beispielsweise in Nigeria, Kamerun oder Tansania mit effizienten Kochöfen aus-statten. Die Kochöfen sparen rund 80 % Feuerholz im Vergleich zu traditionellen Kochstellen, das entspricht drei Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr. Wir rechnen damit, dass die ersten Reduktionsmaßnahmen in der zweiten Jahreshälfte 2023 greifen könnten.

Werden die Kleinbäuerinnen und -bauern konkret in die Maßnahmen eingebunden, sodass auch sie, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden, von den Projekten profitieren können?

Im Rahmen des Kompensationsprojektes profitieren die Kleinbäuerinnen und -bauern direkt, da sie bei Nutzung unserer Kochöfen rund 80 % Feuerholz im Vergleich zu traditionellen Kochstellen einsparen. Dadurch haben sie weniger Kosten und müssen weniger Zeit aufwenden, um Feuerholz zu sammeln. Auch der Abholzung kann so wirksam entgegengewirkt werden. Außerdem sind gerade Frauen und Mädchen, die traditionell für das Kochen zuständig sind, durch die Ofennutzung beim Kochen wesentlich weniger Rauchemissionen ausgesetzt, was nachweislich die Lungenfunktionen verbessert. Die Kleinbäuerinnen und -bauern bekommen die effizienten Kochöfen zu einem subventionierten Preis, sodass sie sich diese trotz ihrer oftmals prekären finanziellen Lage leisten können.
Durch den Aufbau des Projektes profitiert zudem die gesamte Region, da neue Arbeitsplätze entstehen. In Nigeria wird unser Partner für das Pilotprojekt zum Beispiel die lokale Baumwollvereinigung Arewa Cotton sein, die plant, für den Vertrieb der effizienten Kochöfen zusätzliches Personal einzustellen.
Darüber hinaus prüfen wir, inwiefern die Erntereste der Kleinbäuerinnen und -bauern zur Emissionsminderung genutzt werden können und somit ein zusätzliches kleines Einkommen darstellen können.

Herr Zeller, welche Rolle spielt die CmiA Carbon Neutral Initiative generell für die Entwicklung des Baumwoll- und Textilsektors in puncto CO2-Neutralität?

Aufgrund der etablierten und auf langfristige Zusammenarbeit mit den Partnern im Baumwollanbau-gebiet ausgelegten Strukturen von CmiA können hier auch perspektivisch angelegte Maßnahmen erprobt und umgesetzt werden, die dann als Beispiel für andere Baumwollanbaugebiete und -produzenten dienen können. Außerdem ist es möglich, über die CmiA Carbon Neutral Initiative sicherzustellen, dass die zusätzlichen Kosten nicht von der lokalen Bevölkerung getragen werden, sondern von uns im globalen Norden, die auch die Hauptverantwortung für die Emissionen tragen.

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