„Changing trade relations in Africa — what can Europe still offer?“ dieser Frage widmete sich das erste Aid by Trade Forum, das am 15. September 2010 im Atrium der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Berlin stattfand. Auf dem hochkarätig besetzten Podium diskutierten Vertreter beider Kontinente die wirtschaftlichen Potentiale Afrikas und die Effizienz westlicher Entwicklungsmaßnahmen.
Was hat die traditionelle Entwicklungshilfe in Afrika bewirkt? Was kann die heutige Entwicklungszusammenarbeit bieten? Welche Rolle spielen dabei Staat und Privatwirtschaft? Diesen Fragen stellten sich der Gründer und Vorsitzende des Kuratoriums der Aid by Trade Foundation, Dr. Michael Otto, der Staatssekretär des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Hans-Jürgen Beerfeltz, der kenianische Wirtschaftsexperte James Shikwati sowie der beninische Unternehmer Patrice Talon.
Zum Einstieg in den Diskurs beleuchteten Vertreter der deutschen und beninischen Politik das Thema aus den unterschiedlichen Perspektiven der beiden Kontinente: Staatssekretär Beerfeltz stellte das Thema „Aid by Trade“ in den Kontext der aktuellen Entwicklungspolitik, verwies auf den nahenden MDG-Gipfel und sprach die Notwendigkeit an, mit entwicklungspolitischer Arbeit noch mehr Wirksamkeit zu entfalten. Benins Agrarminister Michel Sogbossi, dessen Ministerium für die Bereiche Fischerei, Viehzucht und Landwirtschaft verantwortlich ist, ging auf die Bedeutung des Baumwollsektors für Benin ein. Er lobte ausdrücklich die Erfolge der Initiative Cotton made in Africa, deren Engagement bereits zu einer positiven Entwicklung in seinem Land geführt habe.
Hilfe zur Selbsthilfe statt Almosen
Viele Experten stehen der herkömmlichen Entwicklungshilfe heute kritisch gegenüber, weil sie den Kontinent in den letzten Jahrzehnten zu einem Almosenempfänger gemacht hätte. Mit dieser These leitete ZDF-Moderatorin Dunja Hayali die Experten-Diskussion ein.
Diese Ansicht vertrat auch Dr. Otto: „Charity ist gut, bei akuten Krisen, wie etwa Überschwemmungen. Aber sie löst keine langfristigen Probleme.“ Mit der Initiative Cotton made in Africa stellte er ein konkretes Beispiel für nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit vor. „Unser Ziel ist es, die Lebensbedingungen der afrikanischen Kleinbauern durch Hilfe zur Selbsthilfe zu verbessern.“ Die Einkommen der Kleinbauern sollten dabei durch höhere Erträge steigen — nicht durch höhere Preise auf dem Weltmarkt — und so einen nachhaltigen Effekt haben. „Daraus ergibt sich eine Win-Win-Situation für die Farmer auf der einen und für die Partner der Nachfrageallianz von Cotton made in Africa auf der anderen Seite.“ Die Initiative trage außerdem dazu bei, dass die Menschen sich ihren Lebensunterhalt auf dem Land verdienen könnten und wirke somit der Landflucht entgegen
Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz, der seinen Bundesminister Dirk Niebel bei der Veranstaltung vertrat, lobte den Ansatz der Initiative: „Staatliches Engagement allein reicht nicht aus. Auch die Privatwirtschaft muss sich in die Entwicklungszusammenarbeit einschalten.“ Dabei müsste eine Partnerschaft auf Augenhöhe entstehen. Cotton made in Africa sei ein gutes Beispiel dafür, was man bewirken kann. Für solches unternehmerisches Engagement seien Fortschritte im Investitionsklima — etwa bei den Faktoren der Good Governance und der Rechtssicherheit — wichtig.
Falsche Wahrnehmung oder „vollkommen unterentwickelt“?
James Shikwati teilte die Meinung seiner Vorredner im Bezug auf die Auswirkungen traditioneller Entwicklungshilfe. Der angesehene Wirtschaftsexperte aus Kenia sah aber noch zu wenig Engagement internationaler Unternehmen in Afrika. Für ihn wisse die westliche Welt auch nach hundert Jahren noch immer zu wenig über Afrika und habe häufig ein völlig falsches Verständnis von seinem Heimatkontinent. „Afrika ist bereit, aber der Rest der Welt sieht die Möglichkeiten für privatwirtschaftliche Investitionen nicht.“ Sein deutlicher Appell: „Ändert eure Wahrnehmung, Afrika braucht vor allem das Engagement von Unternehmen!“
Eine ganz andere Sichtweise auf Investitionsmöglichkeiten in Afrika hatte Patrice Talon. Für den erfolgreichen beninischen Unternehmer fehlen noch immer Rahmenbedingungen in denen Unternehmen agieren können: „Wir sind alles andere als bereit. Wir sind vollkommen unterentwickelt, die Infrastruktur ist nicht ausreichend. Ich sehe momentan keine Möglichkeiten für Unternehmen durch Investitionen in Afrika zu prosperieren.“ Der Staat, so Talon, sei hier in der Pflicht.
Potentiale in Afrika und für die Welt
Für Dr. Otto haben unternehmerische Initiativen wie Cotton made in Africa großes Entwicklungspotenzial — auch in Benin. „Unser langfristiges Ziel ist es, die Prozesskette vor Ort in Afrika weiter auszubauen und möglichst viel Wertschöpfung in den Ländern stattfinden zu lassen.“ Bisher sei dies nur sehr eingeschränkt der Fall. Otto verwies außerdem auf bevorstehende Probleme auf dem Weltmarkt: „Studien zeigen, dass uns ein internationaler Engpass beim Rohstoff Baumwolle bevorsteht — auch dieses Problem können wir durch Cotton made in Africa angehen.“
Das erste Aid by Trade Forum fand großen Zuspruch. Unter den 85 geladenen Gästen waren neben Besuchern aus der deutschen Wirtschaft und Politik, auch weit gereiste Vertreter der afrikanischen Baumwollgesellschaften, sowie Repräsentanten internationaler Textilunternehmen und der afrikanischen Botschaften. Eine Fortsetzung wird es schon im nächsten Jahr geben. Eines ist dabei schon sicher: Auch beim nächstes Mal wird es wieder zu einem angeregten Meinungsaustausch kommen.