Unser Jahresbericht bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit, die von uns im Jahr 2023 erzielten Resultate sowie die Herausforderungen und Erfolge in der Praxis und auf dem Markt zu beleuchten. Zugleich können dadurch die Erkenntnisse von Stakeholdern bezüglich unterschiedlicher Nachhaltigkeitsthemen in der Baumwoll- und Kaschmirbranche analysiert werden. Ferner legen wir dar, wofür die Gelder, die wir durch Marktaktivitäten einnehmen, verwendet werden, um bedeutende Maßnahmen sowohl für den Naturschutz als auch für das Wohl der Produzent*innen und Tiere umzusetzen.
Prof. Dr. Michael Otto, Gründer der Stiftung, zieht eine positive Bilanz des Jahres 2023 und verweist auf die positive Wirkung der AbTF-Standards wie CmiA: „Durch die Initiierung zahlreicher auf Nachhaltigkeit und Innovation fokussierter Projekte auf Basis der Hilfe zur Selbsthilfe ließen sich die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Produktionsgebieten verbessern und die Qualität der Böden sowie die Biodiversität bewahren.“
Tina Stridde, Geschäftsführerin der Aid by Trade Foundation, ergänzt hinsichtlich der erfolgreichen Wirkung der Standards: „Wir freuen uns mit unserer Arbeit einen essenziellen Beitrag zur Transformation der Rohstoff- und Textilproduktion zu leisten. Dass der Bedarf an unseren nachhaltig verifizierten Rohstoffen trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten groß ist, zeigen die Ergebnisse aus 2023.“
Größere finanzielle Möglichkeiten für Innovationen und Community Projekte
Grundsatz der Arbeit der Aid by Trade Foundation ist es, Hilfe zur Selbsthilfe durch die Aktivierung von Marktkräften zu bewirken. Entsprechend stammen 84 % der 2023 erzielten Einnahmen aus dem Wirtschaftsbetrieb. Die gute finanzielle Entwicklung ermöglichte es der Stiftung, ihre Aufwendungen für die Implementierung der CmiA-Programme um 17,5 % auf insgesamt 3.874 TEUR gegenüber dem Vorjahr zu steigern. Die Aufwendungen für das CmiA-Kooperationsprogramm und seine Projekte zur Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation der Baumwollkleinbäuer*innen und ihrer Familien erhöhten sich sogar um 60 Prozent auf TEUR 780.
„2023 investierte die AbTF 80 % der Gesamtausgaben zur Umsetzung ihrer Stiftungsziele. Das sind 4 % mehr als im Vorjahr“, sagt Tina Stridde, Geschäftsführerin der AbTF. „Die Implementierung der Programme von CmiA und GCS ist anspruchsvoll. Doch weil sich die Eigenkapitalstruktur der Stiftung 2023 weiter gestärkt hat, stehen weiterhin auch für innovative Programme die erforderlichen Finanzierungsmittel zur Verfügung.“
2023 wurden auf einer Fläche von 1,7 Millionen Hektar Baumwolle nach den Kriterien der CmiA- und CmiA Organic Standards angebaut. Mit der erzielten Ernte von knapp 900.000 Kleinbäuer*innen können rein rechnerisch eine Milliarde T-Shirts produziert werden. 9.100 Farmen in der Inneren Mongolei produzierten mit 4,3 Millionen Ziegen 2.200 Tonnen GCS-verifizierten Kaschmir – erneut eine Steigerung um über 15% im Vergleich zum Vorjahr.
Ein Bündnis aus Hightech und traditionellem Wissen für die Adaption an die Folgen des Klimawandels
Auch 2023 wurden die Partner der AbTF-Standards mit wachsenden Herausforderungen konfrontiert. Die Folgen des Klimawandels und die Abnahme der Biodiversität und Bodengesundheit sind zunehmend spürbar und eine existenzielle Bedrohung für die Menschen in den Anbauregionen. Die Standards der Aid by Trade Foundation helfen ihnen auf mehreren Ebenen:
Um die Baumwollfelder großflächig und schneller zu erfassen, startete CmiA 2023 das erste Remote-Sensing-Projekt in Tansania: Mittels Satellitendaten soll die Baumwollproduktion zukunftssicher gestaltet und auch sich bietende technologische Chancen zu ergriffen werden, um die Kleinbauern bestmöglich zu unterstützen. Das Kooperationsprogramm CAR-iSMa hat sich wiederum zum Ziel gesetzt, über nachhaltige Produktionsmethoden zur Bodenbewirtschaftung die Lebensgrundlagen von 100.000 kleinbäuerlichen Familien zu verbessern. Zudem fanden zwecks stärkerer Vernetzung und zum Austausch der Baumwollgesellschaften 2023 mehrtägige Workshops in Afrika statt. Außerdem riefen die AbTF und die African Cotton Foundation (ACF) mit dem Innovations Club eine Plattform ins Leben, auf der sich Wissenschaftler*innen und Expert*innen auf regionaler und internationaler Ebene zur Entwicklung und Förderung innovativer Projekte zur Transformation der kleinbäuerlichen Landwirtschaft vernetzen können. (c) Emily Paul African People & Wildlife
Weiterhin stehen bei der Arbeit der Aid by Trade Foundation auch 2023 die Menschen in den afrikanischen Baumwollanbaugebieten im Fokus. Ein mehrtägiger Workshop in Tansania widmete sich Möglichkeiten zur erfolgreichen Einbindung von Dorfgemeinschaften in den Natur- und Wildtierschutz. Außerdem entwickelte die AbTF Im vergangenen Jahr zusammen mit Partnern neuartige Trainingsmaterialien, beispielsweise solche, die Kleinbäuer*innen unterstützen, das Wassermanagement im Baumwollanbau zu verbessern. Mit Kooperationsprojekten im Rahmen des CmiA Community Kooperationsprogamms (CCCP) wurden zahlreiche Projekte in den Bereichen Frauenförderung, Gesundheit, Bildung und Umweltschutz gefördert. Unter anderem wurden bis 2023 insgesamt 142 Brunnen gebohrt, 128 Klassenräume und 6 Gesundheitsstationen errichtet, 90 Frauenclubs ins Leben gerufen und 33 Gebäude mit Geräten zur Nutzung von Solarenergie ausgestattet.
Um die Resilienz der kleinbäuerlichen Betriebe gegenüber den Folgen des Klimawandels zu steigern, entwickelte die AbTF 2023 den Regenerative Cotton Standard (RCS). Er fokussiert sich auf eine Baumwollproduktion, die natürliche Regenerationsprozesse unterstützt. RCS greift dazu auf den reichen landwirtschaftlichen Wissensschatz der Kleinbäuer*innen zurück, kombiniert diesen mit wissenschaftlichem Knowhow und innovativer digitaler Technik. Der holistische Ansatz von RCS sorgt für die Einbeziehung des gesamten Produktionssystems der Farmen in den Wirkungskreis des Standards. Er inkludiert das Tierwohl, besonders aber unterstützt er die Kleinbäuer*innen dabei, mit Maßnahmen wie erweiterten Fruchtfolgen, Agroforstsystemen, Mischkulturen und der Nutzung von Biomasse die Fruchtbarkeit ihrer Felder zu erhöhen bzw. wiederherzustellen. Er ist der erste Standard, der sich dabei explizit an kleinbäuerliche Gemeinschaften richtet.
Ungebrochen attraktiv für Produzent*innen, Retailer, Brands und Verbraucher*innen
Die Standards der Aid by Trade Foundation bewiesen auch 2023 ihre Attraktivität in den globalen Lieferketten. CmiA ist auf 54 Textilproduktionsmärkten weltweit aktiv, arbeitete mit 2.700 Partnern in der Textillieferkette zusammen. Dass sich unter den Neukunden auch die international bekannten Unternehmen IKEA und AVON befinden und die Nachfrage für Transparenz und CmiA Organic weiterhin steigt, spiegelt das ungebrochene Interesse für die Arbeit der Stiftung auf den Märkten wider. 61 Retailer und Brands waren Partner von CmiA. The Good Cashmere Standard, der Standard für die nachhaltige Produktion von Kaschmirfasern, arbeitete im vierten Jahr seines Bestehens bereits mit 54 Retailern und Brands zusammen und war mit 2.200 Tonnen GCS-verifizierten Kaschmirfasern auf 16 Textilproduktionsmärkten präsent.
Diese Zahlen zeigen auf, dass der Bedarf an nachhaltig produzierter Textilfasern 2023 auch in einer insgesamt schwierigen Marktsituation weiterhin hoch war. Mit der Verbindung von traditionellem Wissen, moderner Agrartechnologie und effektiven Rückverfolgungssystemen wie dem Hard Identity Preserved (HIP) Tracking System kamen die AbTF-Standards 2023 nicht nur erfolgreich dem dringenden Wunsch nach innovativen Lösungen von Seiten der Produzent*innen nach. Sie sorgten auch für jene verlässliche Transparenz, die vom Gesetzgeber, aber auch von Verbraucher*innen immer nachdrücklicher eingefordert wird.
TRANSPARENTE UND FAIRE LIEFERKETTEN SPIELEN EINE ENTSCHEIDENDE ROLLE
Die Weltgemeinschaft steht derzeit multiplen Krisen gegenüber. Die Zahl autoritär geführter und fragiler Staaten nimmt zu. Viele Industriestaaten sehen sich großen finanzpolitischen und innenpolitischen Schwierigkeiten gegenüber. Wie lassen sich die Länder des globalen Südens angesichts dieser Herausforderungen wirkungsvoll bei ihrer nachhaltigen sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unterstützen? Darüber sprachen wir mit Ingrid-Gabriela Hoven, Vorständin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH und Kuratoriumsmitglied der Aid by Trade Foundation.
INGRID-GABRIELA HOVENVorständin, Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
WETTBEWERB AUF DER EBENE DER ERZEUGUNG IST KONTRAPRODUKTIV
Gemeinsames Lernen und den Wissensaustausch zwischen den Partnern fördern – das ist ein integraler Bestandteil der Arbeit von Cotton made in Africa. Aus diesem Grund organisiert die Initiative regelmäßig partner- und länderübergreifende Workshops und Treffen mit den Mitarbeiter*innen der Baumwollgesellschaften in Afrika. Ziel ist es, gemeinsam für aktuelle Herausforderungen im Baumwollanbau Lösungen zu erarbeiten, die am besten umsetzbar sowie am praktikabelsten sind und am meisten Wirkung entfalten. Dr. Ben Sekamatte (B.S.), Agrarexperte und Berater von CmiA aus Uganda, sowie Younoussa Imourou Ali (Y.I.A.), CmiA-Consultant und -Koordinator für West- und Zentralafrika, begleiten diese Veranstaltungen seit Beginn und wissen, wie das gemeinsame Lernen in der Praxis funktioniert und was es so erfolgreich macht.
YOUNOUSSA IMOROU ALICmiA-Consultant und -Koordinator für West- und Zentralafrika
DR. BEN SEKAMATTE Agrarexperte und Berater von Cotton made in Africa aus Uganda
DER ERFOLG JEDES PROJEKTS HÄNGT DAVON AB, INWIEWEIT MENSCHEN EINBEZOGEN WERDEN UND VERTRAUEN GENIESSEN
African People & Wildlife (APW) arbeitet partnerschaftlich mit der lokalen Bevölkerung zusammen, um gefährdete Wildtiere und wichtige Lebensräume zu schützen und zugleich die Existenzgrundlagen der Landbevölkerung zu verbessern. Alais Ole-Morindat, der Direktor des ACTIVE™-Programms von APW, erklärt, warum Projekte nur dann erfolgreich sein können, wenn die Menschen vor Ort einbezogen werden – und wie die Erhebung von Daten dabei helfen kann.
ALAIS OLE-MORINDATDirektor des ACTIVE™-Programms, African People & Wildlife
THEMEN WIE MENSCHENRECHTE UND KLIMASCHUTZ SIND NICHT VERHANDELBAR
Die Otto Group gehört zu den weltweit größten Onlinehändlern und hat sich vom Hamburger Modeversand zu einem weltweit agierenden Multikonzern entwickelt. Bereits in den 1990er-Jahren hat die Otto Group damit begonnen, für ihre Geschäftspartner einen Code of Conduct aufzusetzen – mit strengen Bedingungen zu sozialen Standards und menschenwürdigen Arbeitsbedingungen. Seitdem entwickelt die Unternehmensgruppe ihr Engagement kontinuierlich weiter. Standards wie CmiA und GCS sind für Lena Peleikis, Abteilungsleiterin Human Rights & Responsible Supply Chain bei der Otto Group, elementar für die Stärkung der Menschenrechte und des Umweltschutzes in den globalen Lieferketten – erst recht vor dem Hintergrund steigender regulatorischer Anforderungen.
LENA PELEIKISAbteilungsleiterin Human Rights & Responsible Supply Chain, Otto Group
DIE PRINZIPIEN DES RCS STEHEN IM EINKLANG MIT DEN GRUNDWWERTEN DER INDISCHEN BÄUERINNEN UND BAUERN
Mit seinen 32 Jahren Erfahrung als Baumwollwissenschaftler ist Dr. Keshav Kranthi eine Koryphäe auf seinem Fachgebiet. Mit seinem fundierten Wissen gibt er Einblicke in die regenerative Landwirtschaft und erlaubt einen Ausblick auf den neuen Regenerative Cotton Standard.
DR. KESHAV KRANTHILeitender Wissenschaftler, International Cotton Advisory Committee (ICAC)
THE GOOD CASHMERE STANDARD SPIELT EINE ENTSCHEIDENDE ROLLE, UM DAS WOHL DER CHINESISCHEN KASCHMIRZIEGEN ZU VERBESSERN
Figo Li ist ein angesehener Spezialist für Kaschmirziegen und Tierwohl in China. In den letzten zwei Jahren hat er viele Kaschmirfarmen in der Inneren Mongolei besucht und dort Verifizierungen mit durchgeführt. In diesem Interview gibt er Einblicke in die Kaschmirziegenhaltung und das Tierwohl in China und erklärt, welche Rolle der The Good Cashmere Standard bei der Verbesserung des Wohls von Chinas Kaschmirziegen spielt:
FIGO LIProjektmanager für Tierwohl, LRQA (ehemals Elevate)
KUND*INNEN HABEN DAS RECHT ZU WISSEN, WAS DIE HERSTELLUNG IHRER KLEIDUNG KOSTET
In seinem entschlossenen Streben nach ‚Cleaner Fashion‘ hat sich Everlane für eine Partnerschaft mit The Good Cashmere Standard entschieden. Für seine Bemühungen, jedes Produkt verantwortungsvoll und mit den geringstmöglichen Auswirkungen herzustellen, wurde das Label bei den Glossy Fashion Awards in den USA zur Nachhaltigkeitsmarke des Jahres 2023 gekürt. Wir sprachen mit Katina Boutis, der Direktorin für Nachhaltigkeit bei Everlane, über Everlanes Mission, radikale Transparenz und Preiskalkulationen.
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